Der Wunsch, dass etwas zurückkommt
von "Dexter", geschrieben 30. Juli 2007
Das Handy blinkt. Eine SMS muss es sein, das hört man am Ton, der gerade eben ertönte. Ich will gar nicht wissen, was mir geschrieben wurde, aber es reizt mich, es in die Hand zu nehmen und die SMS zu lesen. Es macht mich kaputt. Alles könnte aus sein. Oder alles könnte in Ordnung sein. Aber Angst, dass alles aus sein könnte habe ich trotzdem. Mir ist schlecht. Ich fühle mich angespannt. Aufgeschwemmt. Mein Herz zerbricht immer mehr. Das Handy blinkt immer noch. Es wird solange blinken, bis ich die SMS, die ich gar nicht lesen will, lese. Oder der Akku leer ist und das kann schon noch 2-3 Tage dauern. Ich schaue es an. Je mehr das blinken auf mein Gehirn einhämmert, desto mehr schmerzt mir das Herz. Es kam immer so wenig zurück, so wenig. Deswegen könnte mir diese SMS den letzten Stoß versetzen. Es blinkt, es blinkt.
Ich mache mir ein Bier auf. Ich trinke etwas. Meine Angespanntheit sinkt etwas, als ich vor dem Handy sitze und trinke. Ich starre auf das Handy. Ich will gar nicht wissen, was mir geschrieben wurde. Denn wenn es das ist, was ich vermute, dann fühle ich mich noch schlechter als ich es ohnehin schon tue.
Doch was wäre wenn? Wenn sie mir doch etwas Positives geschrieben hat? Ja, was wäre, wenn...? Aber warum kam dann immer so wenig von ihr zurück, wenn wir zusammen waren und über uns geredet haben? Es blinkt.
Ich trinke aus. Ich nehme das Handy in die Hand. Auch wenn es mich zerstört, muss ich es wissen. Nein - ich lege es wieder zurück. "Du warst ihr eh schon immer scheißegal", sagt die Stimme in meinem Kopf. "Aber ich liebe sie", sage ich zurück. "Das kümmert sie wenig", bekomme ich als Antwort. Ich lasse das Handy liegen. Ja - ich lasse es liegen.
Ich gehe mit meinem Koffer aus meiner Wohnung, werfe ihn in den Kofferraum meines Autos. Ich fahre weg, weit weg. Nach Süden. Niemand weiß es, und es interessiert auch niemanden. Alle meine Pseudofreunde sind im Handy eingespeichert, doch das bleibt blinkend in meiner Wohnung liegen. Ich drehe den Zündschlüssel um, ich fahre weg. Ich hab mich eh schon immer fehl am Platz gefühlt. Und nicht mal sie konnte mir das Gefühl geben, das ich von meiner Traumfrau erwartete. Ich fahre weg. Wahrscheinlich, weiß außer mir niemand, was Liebe und Freundschaft eigentlich ist. Ich fahre weg.
Einige Wochen später, kommt sie zu mir nach Hause. Sie sperrt mit dem Schlüssel auf, den ich ihr geschenkt habe. Sie schaut in die relativ leeren Räume. Mein Handy liegt auf dem Couchtisch. Jetzt weiß sie, warum sie mich nicht erreichen konnte. Eine Träne fließt ihr über ihre Wange, als sie im sterilen Wohnzimmer steht. Erst jetzt weiß sie, was sie verloren hat.
Doch dass sie bei mir war - kann ich nicht wissen. Aber sie war es, wie sie irgendwann meinen Pseudofreunden und meinen Verwandten erzählen wird.
Ich sitze allein vor einer kleinen Hütte, weit weg von "zu Hause", in dem sich mein Herz nie zu Hause fühlte. In einem Klappstuhl und mit Sonnenbrille trinke ich ein Bier, schau auf das weite Meer. Das Handy würde wohl immer noch blinken, aber der Akku ist sicher schon leer.
Da wo ich einst wohnte, sagt man über mich: "Hoffentlich hat er einen Ort gefunden, an dem er glücklich sein kann".
Anmerkung: Man darf sich natürlich frag: Wie kommt man auf so eine Geschichte? Ich muss dazu sagen, dass mich in dieser Zeit ziemliche Angst geplagt hat. Angst, "alles" zu verlieren. Und erst lange Zeit später merkte ich, dass "alles" gar nichts war.
(Dexter, 10.03.08)